Angesichts der Wertschätzung für Langsdorff, die ihm jetzt seit 80 Jahren international dargebracht wird und unvermindert

anhält, wirft ebendieses automatisch die Frage auf, wie gehen die entsprechenden politischen und militärischen Institutionen in

Deutschland mit dieser Person, die Geschichte schrieb, um?

  • Die Deutsche Marine tut sich schwer, so heißt es, mit Langsdorff umzugehen. Auch wenn dieser Marineoffizier, der zu Beginn des Zweiten Weltkrieges einen Fehler machte, militärisch betrachtet wohl allemal, diesen aber, als er ihn erkannt hatte, eine mutige und moralisch vorbildliche Entscheidung traf und Verantwortung für seine Männer übernahm. Die Deutsche Marine, vormals Bundesmarine, hat es versäumt, rechzeitig ein Zeichen zu setzen. Stattdessen wird 1967 einer der damaligen modernsten Zerstörer nach dem Flottenchef Admiral Lütjens benannt. Dieser und weitere über 2000 Seeleute blieben damals mit der "Bismarck" auf See; das wäre unter Umständen vermeidbar gewesen, hätte er ähnlich wie Langsdorff gehandelt. Aber der abstarkte Ehrenbrauch, der in vielen Marinen der Welt nach wie vor lebt, lieber den Untergang des Schiffes und damit den Tod der Besatzung vorzuziehen, war nicht nur stärker, sondern auch in einer Weisung vom 06. Februar 1940, unterzeichnet von Hitler und GAdm. Raeder, ausdrücklich gefordert.
  • Hier steht u.a.: >>Übergabe des Schiffes und Streichen der Flagge vor dem Gegner sind für ein deutsches Kriegsschiff unmöglich; Lieber ehrenvoll untergehen, als die Flagge streichen! Und weiter: Gegen jeden Kommandanten, der die Ehre der Flagge bloßstellt und an derjenigen Tatkraft fehlen lässt, die allein Erfolge herbeizuführen und der deutschen Marine eine geachtete Stellung zu geben vermag, werde ich unnachsichtlich einschreiten<<. Das Dokument ist einzusehen.
  • Oder wie der irische, später eingebürgerte argentinische, Admiral Guillermo Brown es formulierte: "Es preferible irse a pique que rendir el pabellón!

Und wie honoriert die "Politische Klasse" dieses Handeln, die die historische deutsche Verantwortung immer griffbereit hat, und wenn es opportun erscheint, diese fast gebetsmühlenhaft deklamiert. Es wird doch immer nach Persönlichkeiten Ausschau gehalten, deren Verhalten im 2. Weltkrieg Vorbildfunktion haben könnte! Das ambivalente Verhalten, sowohl der politischen Klasse als auch der Bevölkerung in Deutschland gegenüber der Bundeswehr, hat selbst schon was "Traditionelles". Dieses zwiespältige Verhalten hat sich im Volk, seit der Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955, nicht wesentlich geändert und da die politischen Repräsentanten dazu neigen sich dem Mainstream anzupassen ist ihr Verhalten oft nicht anders. Man könnte manchmal das Gefühl haben die Institution Bundeswehr ist ein notwendiges Übel. Es wird lieber "bis ans Ende der Welt geflogen", um einen Kranz am "Grab des Unbekannten Soldaten" niederzulegen.

 

Aber noch nie hat ein Mitglied der jeweiligen deutschen Bundesregierung, im Laufe der Jahrzehnte, das Grab von Hans Langsdorff mit den vier beigebetteten Seeleuten besucht und selbst die Kriegsgräber in Montevideo sind praktisch auch noch nie besucht worden; mit einer Ausnahme, der ehemalige Außenminister H-D. Genscher besuchte diese am 12.03.1985.


Und auch der jüngste "Traditionserlass" aus dem Jahr 2018 lässt keinen Spielraum zu. Im Absatz "Klare Grenzen zur Wehrmacht“

findet sich folgende Passage:

  • Die Wehrmacht als Institution kann daher als Waffenträger des NS-Nationalsozialismus-Regimes auch weiterhin nicht traditionsstiftend für die Bundeswehr sein. Ausnahmen sind allerdings die Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, die Angehörigen der Gründer- und Aufbaugeneration der Bundesrepublik Deutschland oder Personen, die sich um Recht und Freiheit verdient gemacht haben – sie haben Relevanz für die Traditionspflege der Bundeswehr. Die Aufnahme einzelner Angehöriger der Wehrmacht in das Traditionsgut der Bundeswehr ist dagegen grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür ist immer eine eingehende Einzelfallbetrachtung sowie ein sorgfältiges Abwägen. Dieses Abwägen muss die Frage persönlicher Schuld berücksichtigen und eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am militärischen Widerstand gegen das NS-Nationalsozialismus-Regime oder besondere Verdienste um den Aufbau der Bundeswehr.

Hans Langsdorff war weder ein Freiheitskämpfer noch ein Nazi, aber auch als Marineoffizier war er natürlich

Wehrmachtsangehöriger. Solches vorbildhaftes Handeln, das durchaus auch bei manchen anderem Wehrmachtsoffizier ggf. zu

nennen wäre, hat die Politik aber nicht bedacht.

  • Cap. Dove von der "Africa Shell" erwähnte später u.A. in seinem Buch "I was Graf Spee's Prisoner", dass er aus seiner Abneigung, zivile Handelsschiffe zu versenken, keinen Hehl machte.
  • In seiner Gesamtbiografie Langsdorffs beschreibt H.J. Kaack einen Offizier, der zeitlebens versuchte, seine geistige Unabhängigkeit - selbst in der hierarchischen Struktur des Militärs – zu bewahren. "Die Achtung vor der Würde des Menschen kennzeichnete seinen Wertekanon, den er auch in Kriege einhielt. Seine Unkonventionalität und Offenheit bewies Langsdorff immer wieder".

Später erhielt der Autor eine Brief.

  • Der Absender schrieb, dass sein Vater mit Langsdorff verwand, war. Langsdorff hatte sich bei ihm ein Buch ausgeliehen und 1939 mit persönlichen Worten auf einer begleitenden Grußkarte, mit der Abbildung der "Graf Spee" , zurückgegeben. Sein Vater schrieb als Kommentar auf diese Grußkarte. Zitat: >>Mein Vetter II. Grades Hans Langsdorff war ein Mensch mit ungewöhnlicher Bildung, Typ des intellektuellen Offiziers. Er verabscheute Hitler; dieser Krieg war nicht sein Krieg<< […]
  • Und in einem Leserbrief mit der Überschrift "Langsdorff tribute", als Antwort auf einen Artikel der in der Zeitung "The Times" am 15. August 2019 erschien, schreibt Alec Taylor, dass sein Vater Besatzungsmitglied des Leichten Kreuzers "HMS Ajax" war und an dem Gefecht vom 13.Dezember 1939 teilgenommen hatte. Er berichtet kurz über die Wertschätzung, die bisher Langsdorff international entgegengebracht wurde, weil er mit seinem Entschluss viele Leben gerettet hatte. Aber mit den beiden letzten Sätzen bringt er es grandios auf den Punkt:

>>To date Germany may have failed to honour him. The free world that Hitler tried to destroy has not<<.

 

>>Bisher hat es Deutschland vielleicht versäumt, ihn zu ehren. Die freie Welt, die Hitler zu zerstören versuchte, hat es nicht<<.


Rückblick

 

Die Vorbereitungen für die Operation, die einen Handelskrieg zum Ziel hatten, wurden mal eben über das Wochenende

abgewickelt; milde ausgedrückt: im Hauruckverfahren. Ab Anfang September begann die lange Wartezeit im Südatlantik, für die

Besatzung gab es keine sinnvolle Beschäftigung, die Kluft zwischen Offiziere und Mannschaft hatte sich spürbar intensiviert und

die Lufttemperatur auch.

 

Nach vier Wochen erhielt die Mannschaft volle Operationsfreiheit und die Suche nach Prisen begann. Auch die Technik des

Schiffes begann zunehmend Probleme zu bereiten, auch hier begann die Suche nach den Ursachen, was keine Überraschung sein

dürfte, zumal das Schiff zu dem Zeitpunkt bereits zur Generalüberholung in eine Werft hätte liegen müssen. So musste die

Besatzung mit eigenen begrenzten Mitteln die Reparaturen notdürftig durchführen. Die Kriegsmarine durfte sich glücklich

schätzen solches hoch- qualifiziertes Personal zu haben; ohne dem wäre es nämlich nicht gegangen. Das Bordflugzeug, welches

im Prinzip die Funktion "eines fliegenden Auges jenseits des Horizontes" wahrnehmen sollte, fiel durch permanente technische

Probleme auf; bis hin zum Totalausfall.

 

Im Laufe der Operationszeit ging nicht nur die Kohlensäure und das Artic-Öl zur Neige, Mittel, die für die Kühlmaschinen bzw.

der Munitionskammern dringend gebraucht wurde, zur Neige, sondern auch die Bordverpflegung, und schließlich mussten sich

drei Mann eine Rolle Toilettenpapier teilen.

 

Diese Operation mündete schließlich am Ende in einem Gefecht mit zahlreichen Gefallenen, noch mehr Verwundeten und einen

Kommandanten, der zeitweise seiner Verletzungen wegen ausgefallen war. Am Ende des Tages fanden sich Schiff und

Besatzung im Hafen von Montevideo in Uruguay wieder. Und das Ende ist auch hinlänglich bekannt.

 

Langsdorff soll hier keineswegs heiliggesprochen werden. Sicher sind, militärisch betrachtet, strategische Fehler gemacht

worden und daraus resultierten ebensolche Entscheidungen.

 

Vielleicht wäre einiges anders gelaufen, wenn dem Schiff und der Besatzung eine angemessene Vorbereitungszeit gegeben

worden wäre, Langsdorff ein Erster Offizier zur Seite gestanden hätte, der mit der nötigen Empathie ausgestattet und integrativ

handelnd für die nötige Kommunikation gesorgt hätte. Und das auch und gerade im Hinblick auf die HSO, die Langsdorff sicher in

Bezug auf die südamerikanische Küste im Allgemeinen und der "La Plata Mündung" im Besonderen wertvolle Information über die

Besonderheiten hätten liefern können. Denn weder er, sein IO bzw. die beiden NO kannten die Situation vor Ort.

 

Aber das ist spekulativ. Genauso könnte die Frage gestellt werden, ob Langsdorff die nötige Erfahrung hatte so ein Schiff zu

führen. Nach seiner letzten militärischen Verwendung als Kommandant eines Minensuchbootes und als Halbflottillenchef im

Torpedobootsverband sagte man Langsdorff nach, dass er seemännisch, taktisch und in der Menschenführung vorbildlich wäre.

Danach aber folgten bekanntlich Stabsfunktionen, über die bereits berichtet wurde und zuletzt als I. Asto bei unterschiedlichen

Admiralen. Die Erfahrung als Erster Offizier einer großen Einheit fehlte und ein erneutes Bordkommando entwickelte sich erst aus

der Übernahme der "Admiral Graf Spee" am 1. November 1938.

 

Es gebe sicher noch das eine oder andere zu erwähnen, aber letztendlich führt das alles zu nichts; es ist historisch und nicht

reversibel.

Am Ende ist es doch bestimmend, dass Langsdorff als er seinen Fehler erkannte eine mutige und moralisch vorbildliche

Entscheidung traf.

 

Ähnlich wie im November 1918 in Bremerhaven als revolutionäre Matrosen von der Schleuse aus die Besatzung aufforderte, ihren

Kommandanten abzusetzen und die Kaiserliche Kriegsflagge niederzuholen, lehnte die Besatzung dieses Ansinnen ab. Als

daraufhin die Revolutionäre ihre Waffen in Anschlag brachten und eine Schießerei bevorstand, befahl Langsdorff das Niederholen

von Flagge und Wimpel. Sein Verhalten begründete er später damit, dass er am Ende des Krieges seine Männer "nicht sinnlos

über den Haufen schießen lassen wollte".

 

Und genau nach diesem persönlichen Wertekompass handelte Langsdorff in Montevideo erneut: Anstatt seine Besatzung in einen

aussichtslosen Kampf zu führen - für die Ehre der Flagge -, was nur in ein "Scheibenschießen" geendet hätte zum Vorteil eines,

mittlerweile übermächtigen Gegners, versenkte er das Schiff, um es nicht in die Hände des Kriegsgegners fallen zu lassen. Er

rettete dadurch das Leben seiner Männer!

 

Nachdem Langsdorff dafür gesorgt hatte, dass die Gefallenen würdig bestattet worden waren, die Verletzten sich in ärztlicher

Betreuung befanden, der große Rest der Besatzung heil in Buenos Aires an Land gelangt war und die argentinische Regierung die

Internierung beschlossen hatte, schrieb er einen Brief an den deutschen Botschafter v. Thermann und notierte dort seine

persönlichen Gedanken, Gefühle und Beweggründe. Der gesamte Text ist nachzulesen.

>>Jetzt kann ich mit meinem Tod nur beweisen, dass die Soldaten des Dritten Reiches bereit sind, für die Ehre ihrer Fahne zu sterben. Nur ich bin verantwortlich für die Versenkung des Panzerschiff "Admiral Graf Spee". Ich bin glücklich, mit meinem Leben jeden Vorwurf zu vermeiden, der wegen der Ehre der Flagge gemacht werden könnte<<.

Zur Erinnerung; Langsdorff hatte bereits am 17.Dezember in Montevideo entschieden aus dem Leben zu scheiden, da er sein

Schicksal mit dem des Schiffes untrennbar verbunden sah. Er hatte sowohl seiner Mutter als auch seiner Ehefrau Ruth einen

Abschiedsbrief geschrieben. Die Frage war also nicht ob, sondern wann und wo. Anfangs wollte er auf seinem Schiff bleiben,

aber seine Stabsoffiziere überzeugten ihn mit nach Buenos Aires zu kommen, und dort für die Internierung seiner Mannschaft zu

sorgen und das tat er dann auch. Am Nachmittag des 19. Dezember hielt er dann im Park des "Hotel de Inmigrantes" eine letzte

Ansprache an seine Besatzung, im Bewusstsein seine gefasste Entscheidung kurze Zeit später umzusetzen – welch ehrenhafte

Haltung.

 

Seit ihrem Bestehen und bis in die Gegenwart hadert die Deutschen Marine mit dem Vorgehen von Hans Langsdorff. Das ist

bekannt. Das wird möglicherweise immer für die Ewigkeit so bleiben. Aber es nicht ausschlaggebend und daher sollte man auch

in Zukunft damit leben können.

 

Die Töchter und Söhne der ehemaligen Speefahrer haben das auf besonderer Weise bewiesen. Denn ohne diese mutige und

moralisch vorbildliche Entscheidung vom Kommandanten der "Admiral Graf Spee" KptzS. Hans Langsdorff hätte es sie vermutlich

nicht gegeben, jedenfalls nicht in dem jeweiligen Gefüge; die Tochter von Hans Götz, wir sind ihm schon begegnet, sagte mal

zu ihren Kindern: >>Ohne einen Hans Langsdorff würde es uns so in dieser Form sehr wahrscheinlich nicht geben!<<

 

Das ist keine Pathetik; das ist gelebte Realität! Und das ist das Maß aller Dinge.
 


Schwerer Kreuzer HMS "Exeter"

Der Wahlspruch: "Semper fidelis"

York-Klasse - 8390 ts - 32 kn

Leichter Kreuzer HMS "Ajax"

Der Wahlspruch: "Nec Quisquam Nisi Ajax"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn

Leichter Kreuzer HMNZS "Achilles"

Der Wahlspruch: "Braverly in Action"

Leander-Klasse - 7270 ts - 32,5 kn