Vorwort
Die Vorgänge um das deutsche Handelsschiff "Tacoma" und ihre Besatzung wurden in der Vergangenheit überhaupt nicht entscheidend thematisiert, obwohl auch dieser Abschnitt beherrschend dazugehört– es wurde, dabei belassen zu berichten, dass das Schiff "halt einen Hilfsdienst für die Besatzung" der "Graf Spee" leistete. Das die "Tacoma" und ihre Besatzung dafür Tage später in Uruguay interniert wurde, behandelte man bisher als Fußnote ! Aber wie begann alles …
Nachstehende Angaben sind den amtlichen Angaben der uruguayischen Regierung aus dem "Blau-Buch" entnommen und Weiterer Dokumentation.
z.Zt. wird versucht, über das Archiv der zuständigen Reederei, Weiteres zu erfahren. Da die amtlichen Angaben nicht nur in Spanisch aufgeschrieben, sondern auch sehr bürokratisch abgefasst sind, wurden die Vorkommnisse auf das Wesentliche gekürzt, ohne aber wichtige Details zu verlieren.
Schiffsdaten
Die "Tacoma" gehörte der Reederei Hamburg – Amerika Linie - HAPAG. Gebaut von "Deutsche Werft AG" Hamburg – Finkenwerder. Sie hatte 8.268 BRT; mit ihren vier Dampfturbinen, 6200 PS, waren ca. 15 Kn möglich.
Der Stapellauf war am 08. Februar 1930 – sie gehörte zur "San Francisco-Klasse" und war für Massengut, Stückgut und Kühlladung konzipiert.
Neben ihrer 72-köpfigen Besatzung bot sie in der 1. Klasse 25 und in der 2. Klasse 24 Passagieren Platz - die Jungfernreise startete am 19. April 1030 von Hamburg zur Westküste Nordamerikas. Hier gut zu sehen, der markante ockerfarbene Schorstein mit der schwarz-weiß-rote Kappe, das spätere Erkennungsmerkmal der HAPAG-Schiffe.
Die eindeutige Nummer war 84411 - das Rufzeichen war DHXD
Talcahuano in Chile
Es ist z.Zt. nicht bekannt, wann die "Tacoma" in dem Hafen Talcahuano / Chile einlief - zumindest ist aber aus unbestimmten Quellen zu erfahren, dass das Schiff als Auflieger bezeichnet wurde.
Denkbar ist, dass sie zu Kriegsbeginn in den Hafen von Talcahuano eingelaufen war und zunächst außer Betrieb genommen wurde, um Liegegebühren zu minimieren; hinzu kam gewiss auch der Austausch der Besatzung, was doch erhebliche Zeit in Anspruch genommen haben muss.
Zumal die Mannschaft, die bis dahin mehrheitlich aus chinesischen Seeleuten bestand, aufgrund einer Meuterei, die Gründe wurden nicht näher beschrieben, in Talcahuano von Bord gehen mussten.
Die neue Besatzung wurde aus dem Personal anderer deutschen Schiffe die in chilenischen Häfen lagen, gebildet; besonders Schiffsjungen der Viermastbark "Priwall", die Ende August 1939 eine Werft in Talcahuano aufgesucht hatte.
Montevideo
Der einzige Grund für das Einlaufen in Montevideo war, dass die Schiffsführung 1.600 to. Dieseltreibstoff und 30 to. Gasöl übernehmen wollten, um die Reise nach Hamburg fortsetzen zu können. Da nun inzwischen der Krieg begonnen hatte und die "Tacoma" unter der deutschen RK-Flagge fuhr wurde das Ansinnen zunehmend komplizierter, denn nun wurde im Laufe des Verfahrens der ganze Vorgang von den Vorgaben der "Genfer Konvention" und den "Zusatzvereinbarungen von Den Haag" abhängig.
Für die Abwicklung der Verproviantierung von deutschen Schiffen war das Handelsunternehmen "Ribereña del Plata" - "Compania Sudamericana de Comercio S.A" – zuständig das bekanntermaßen durch die Deutsche Handelskammer in Buenos Aires verwaltet wurde und auch eine Vertretung in der Straße Piedras 350 in Montevideo hatte.
Begründet wurde das mit:
Mit dieser Stellungsnahme begann am 29. November 1939 "der Gang durch die Instanzen". Daran beteiligt war das "Ministerium für Nationale Verteidigung", die "Generalinspektion der Marine", die "General-Präfektur der Häfen" und das "Hafenamt" selbst.
Bis nun diese Verfügung alle Instanzen durchlaufen hatte, dauerte es nochmals eine Woche – am 13. Dezember 1939 bescheinigte das "Hafenamt" die Kenntnisnahme. Danach übernahm die "Tacoma"
zeitnah das benötigte Brennöl bzw. Gasöl.
Im selben Zeitraum war die "Admiral Graf Spee" in den Hafen von Montevideo eingelaufen – die Brückenwache auf der "Tacoma" ist sicher zunächst aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, als ein deutsches Kriegsschiff im äußeren Hafenbecken bzw. Vorhafen auf Reede, vor der "Tacoma“ stoppte und Anker warf.
Während für die "Admiral Graf Spee" und ihre Besatzung letzte Vorbereitungen laufen, schreibt der Kapitän der "Tacoma", Hans Konow, am 17. Dezember 1939 an den Hafenpräfekten FKpt. Juan I. Miller folgende Zeilen:
>> Außergewöhnliche Umstände nötigen mich heute Nacht dringend auszufahren, und da es Sonntag ist und die Zeit drängt, ist es mir nicht möglich, mein Schiff wie gewöhnlich durch meine Agentur abfertigen zu lassen. Ich bitte daher den Herrn Präfekten, freundlichst diese Erklärung entgegen zu nehmen <<.
Mit größter Hochschätzung
Gez. H.Konow
Kapitän des Handelsschiffes "Tacoma".
Untersuchungsausschuss
Aus diesem Anlass übergab die General-Präfektur, FKpt. Juan I. Miller, am 18. Dezember 1939 dem Untersuchungsrichter
KKpt. Yolando D. Mognoni den Vorgang und ernannte ihn zum Untersuchungsrichter für die Aufarbeitung der Gründe der überraschenden Ausfahrt des unter deutscher Flagge fahrenden Handelsschiffes "Tacoma" aus dem heimischen Hafen am
17. Dezember und die Mitwirkung des genannten Schiffes bei den Vorkommnissen am selben Nachmittag wo danach das deutsche Panzerschiff "Admiral Graf Spee" in Brand geriet.
Zum Zweck der Befragungen wurde der Sekretär, Maat Adolfo Otero ernannt, der den Treueid auf gewissenhafte Amtsführung leistete; als Dolmetscher wurde der Obermaat Arnold Glutz ernannt.
Als Erster wurde Hans Konow befragt und der zu seiner Person angab 55 Jahre alt zu sein, Deutscher, Kapitän der "Tacoma" und wohnhaft auf demselben deutschen Schiff.
Kapitän Hans Konow
Danach wurde der Erste Offizier Otto Faller 50 Jahre alt und der Schiffsingenieur Georg Biermann 59 Jahre alt, beide Deutsche, befrag.
Da die Befragung inhaltlich nicht abwich, und auch die Antworten der beiden Offiziere vergleichbar mit denen des Kapitäns waren, erübrigt sich darüber zu schreiben.
Am 20. Dezember 1939 stand noch eine Zusatzbefragung an und der Kapitän Hans Konow wurde nochmals vorgeladen. Hier ging es aber lediglich um die Umstände, die dazu führten, dass die Jollenbesatzung, über die im Abschnitt Die Internierung 1940 1942 berichtet wird, an Bord genommen wurde.
Entscheidung und Internierung
Einen Tag später wurde dem Hafenpräfekten FKpt. Juan I. Miller der Untersuchungsbericht übergeben. Der wiederum leitete diesen an den Generalinspektor der Marine Konteradmiral Gustavo A. Schroeder weiter, der ihn an das Bundesverteidigungsministerium überreichte.
In dem Bericht ging es um die Mitwirkung, die das deutsche Handelsschiff "Tacoma" am 17. Dezember 1939 bei der Sprengung des deutschen Panzerschiff "Admiral Graf Spee" und die festgestellten Tatbestände.
Am 30. Dezember 1939 entschied das uruguayische Außenministerium mit der Regierungsverordnung N° 35, dass das deutsche Handelsschiff "Tacoma" als "Hilfskreuzer der Deutschen Kriegsmarine"
erklärt wird und dem Schiff eine vierundzwanzigstündige Frist zum Verlassen des Hafens von Montevideo gewährt wird. Im Wortlaut:
- beschlossen und verordnet: Der uruguayische Präsident -
A.Baldomir - Präsident
A.Guani - Aussenminister
Natürlich wurde die Deutsche Gesandtschaft in Uruguay von der Durchführung der Maßnahmen informiert und naturgemäß wurden Protestnoten überreicht, die höflich aber entschieden abgewiesen wurden.
Ausklang
Aus unsicheren Quellen wird die Beschlagnahme dahingehen begründet, dass zuvor am 09. März 1942 der uruguayische Frachter "Montevideo" angeblich durch ein deutsches U-Boot versenkt worden war … das stimmte schon damals nicht und weder der Kapitän noch irgendeiner der Besatzungsmitglieder hatten das behauptet bzw. Andeutungen gemacht – trotzdem passte das der uruguayischen Regierung offenbar gut ins Konzept. Zwei Jahrzehnte später wurde der Vorfall endgültig geklärt – es war ein italienisches U-Boot; siehe Die Internierung 1940 – 1942
Im Juli 1942 wurde allerdings festgestellt, dass die Besatzung dre "Tacoma" die Turbinenschaufeln und andere Maschinenelemente beschädigt hatten. Hintergrund war die eindeutige Anweisung durch die Reederei, dass im Falle einer Internierung der Kapitän diese Handlungen durchzuführen hätte. Die Turbine wurde also zur Reparatur in die USA geschickt.
Nach der Reparatur wurde die "Tacoma" nach Boston / USA überführt, in Panama registriert und in die Flotte der US-Marine im Pazifik integriert; die eindeutige Nummer war nun 83290 - das neue Rufzeichen war jetzt HPLL
Auf den unten abgebildeten vier Seiten aus dem "Lloyd´s-Register of Shipping Steamers" ist der Werdegang gut nachzuvollziehen –
Im Hinblick auf die internierte Besatzung fand ein Teil eine bleibe im Departamento Maldonado - Camino Las Flores 7598 - ca. 100 Km von Montevideo entfernt; andere sollen auf der Quinta "Villa Catalina" untergekommen sein und acht sollen privat gewohnt haben - genaueres war nicht zu erfahren.
Zehn Mann waren im Laufe der Jahre geflüchtet, sieben heirateten und blieben dort; weitere sechs wurden aus Gesundheitsgründen nicht ausgeliefert.
Im Anschluß die Besatzungsliste der "Tacoma"
Manche Namen könnten durchaus fehlerhaft geschrieben sein; das lag aber an den uruguayischen Behörden, die mit der Schreibweise nicht immer klarkamen – so wie es auch in Argentinien der Fall war.